Thomas Müller beim Einwurf

Erinnerungen an ein Tor von Uwe Reinders Einwurf - die unterschätzte Standardsituation

Stand: 20.09.2024 10:21 Uhr

Im besten Fall, und das passierte in einem Spiel von Werder Bremen gegen den FC Bayern mal, landet ein Einwurf im Tor. Grundsätzlich wird der Einwurf aber stiefmütterlich behandelt, auch wenn es spezielle Einwurftrainer gibt. Die Sportschau sprach mit dem, der Jürgen Klopp in Liverpool half.

Die Streitereien des kürzlich verstorbenen Managers Willi Lemke mit seinem Kontrahenten Uli Hoeneß sind legendär, genau wie der Elfmeter in einem entscheidenden Spiel, den Michael Kutzop an den Pfosten schoss. Das Bundesligaspiel zwischen Werder Bremen und dem FC Bayern München, das am Samstag (21.09.2024) zum schon 115. Mal ansteht, bietet viele kuriose, interessante und brisante Geschichten.

Der Münchner Torwart Jean-Marie Pfaff lenkt einen Einwurf des Bremers Uwe Reinders in das eigene Tor

Jean-Marie Pfaff lenkt den Einwurf von Uwe Reinders ins eigene Tor.

Eine der kuriosen spielte sich am 21. August 1982 ab. Die Bayern traten am ersten Spieltag im Weserstadion an. Im Tor stand Jean-Marie Pfaff, für die damals recht stolze Ablösesumme von einer Million D-Mark verpflichtet.

Der belgische Nationaltorwart war im Nachhinein betrachtet die Verstärkung, die sich Uli Hoeneß erhofft hatte, aber der Einstand misslang gründlich. Pfaff leistete sich bei einem sehr weiten Einwurf von Uwe Reinders eine sehr schwache Abwehr, der Ball landete von seinen Fingerspitzen im Tor, Werder gewann mit 1:0.

Historie - Als Bremens Uwe Reinders per Einwurf traf

Sportschau, 19.09.2024 11:47 Uhr

Der Einwurf von Reinders ist der berühmteste in der Geschichte der Bundesliga, und das bei einer kleinen Auswahl, denn über den Einwurf wird nur selten gesprochen. Er gehört irgendwie zum Spiel dazu, aber im Vergleich zum Elfmeter, den berüchtigten Freistößen aus zentraler Position an der Strafraumkante und sogar den Eckstößen wird er in der Familie der Standardsituationen sehr stiefmütterlich behandelt.

Kleine Hilfe zum Gewinn der Champions League

Thomas Grönnemark hingegen hat sich dem Einwurf seit zwei Jahrzehnten verschrieben. Er sei "Einwurftrainer, nicht Standardtrainer", sagte der 48 Jahre alte Däne im Gespräch mit der Sportschau.

Irgendwann im Jahr 2018 merkte Jürgen Klopp, dass der Einwurf beim FC Liverpool stiefmütterlich behandelt wurde. In der Statistik, wie häufig der Ball nach Einwürfen verloren geht, belegte der LFC unter 20 Klubs der Premier League nur den 18. Platz. Klopp erfuhr von Grönnemark, rief ihn an, stellte ihn auf Honorarbasis ein.

Einwurftrainer Thomas Grönnemark im Interview

Marcus Bark, Sportschau, 20.09.2024 09:07 Uhr

Ein Jahr später gewann Liverpool die Champions League, noch ein Jahr später wurde es nach langer Zeit mal wieder Meister, und da sich der Klub in der Tabelle der Einwürfe auch auf den ersten Platz verbesserte, darf sich Thomas Grönnemark durchaus einen Anteil zuschreiben.

Jürgen Klopp (l.) und Thomas Grönnemark

Der Boss uns sein Einwurftrainer: Jürgen Klopp und Thomas Grönnemark

Inzwischen arbeitet der Däne unter anderem in seiner Heimat für den FC Midtjylland und in der Premier League für den FC Brentford, also zwei Klubs, die über Eigentumsverhältnisse mal eng miteinander verflochten waren und beide dafür bekannt, sehr auf Datenanalyse und Details zu setzen.

Der Einwurf ist ein Detail, das "40- bis 60-mal in einem Spiel vorkommt", sagt Grönnemark, und bei der Beobachtung von Fußballspielen stellt er fest, dass auch Topteams häfig den "Basisfehler" begingen, über eine kurze Distanz zu einem eng bewachten Mitspieler zu werfen: "Das ist schlecht."

Wie es besser geht, führte er im ausführlichen Gespräch mit der Sportschau aus, das hier zu sehen ist.

Für die einwerfende Mannschaft gilt: "Räume groß machen"

Grundsätzlich gelte für die Mannschaft, die den Einwurf hat, "die Räume groß zu machen". Die Spieler, die sich als Anwurfstation anbieten, sollten sich also über eine größere Fläche verteilen, um es dem Gegner beim Verknappen des Raumes nicht schon natürlich einfach zu machen.

Daraus lässt sich schon ableiten, dass es Ziel der verteidigenden Mannschaft sein muss, gerade im hintersten Drittel den Korridor klein zu halten, in dem die Anwurfstationen sich aufhalten. Da dies aber nur bedingt möglich sei, gelte es vor allem, "scharf" zu sein, also aggressiv zu stören.

Was es bringt, den Gegner unter Druck zu setzen, hat Professorin Claudia Augste von der Universität Augsburg wissenschaftlich untersucht. Sie betrachtete mit einem Kollegen etliche Einwürfe in der Bundesligasaison 2019/20 und veröffentlichte dazu eine Studie, die auch die Grundlage bildet für einen Beitrag von der Akademie des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) mit dem Titel: "Aus Einwürfen mehr Kapital schlagen".

Im Gespräch mit der Sportschau unterstrich Prof. Augste die These, dass die verteidigende Mannschaft eine "ziemlich große" Chance auf Ballgewinn und im besten Fall einen Konter habe, wenn sie "erhöhten Druck" auf die Anwurfstationen ausübe. "Riesig ist der Vorteil nicht mehr", sagt Augste über das Recht, einzuwerfen, das in ihrem Untersuchungsraum im Schnitt 45-mal einer Mannschaft pro Spiel zugesprochen wurde.

Mit Absicht ins Seitenaus "logische Konsequenz"

Eine "logische Konsequenz" aus der Studie sei sogar, zumindest gegen Ende des Spiels den Ball mit Absicht in Höhe des gegnerischen Strafraums ins Aus zu schießen, um dem Tor nach möglichen Ballgewinn schon nahe zu sein.

Für Thomas Grönnemark ist der absichtliche Ballverlust eher ultima ratio. Er präferiert den geordneten Spielaufbau, gerne über den gepflegten Einwurf, der gerne auch sehr weit sein darf. "Etwa 30 Parameter" habe er für das Training, um sich dabei zu verbessern, bei manchen Spielern habe er festgestellt, dass nach gezielten Übungen bis zu 15 Meter weiter einwefen können. "Es geht nicht über Kraft und Muskeln, sondern mehr über Technik", sagt Grönnemark.

Uwe Reinders hatte eine sehr gute Spannung und hohe Schnellkraft, als er Pfaff zum Eigentor nötigte, allerdings auch eine zulässige Hilfe von außen: "In Bremen bläst ja ab und zu der Wind, und da ist der Ball einige Meter weiter geflogen, als er sollte."